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Sonntag

Heute ist ein fast normaler Sonntag. Ohne Wecker bin ich kurz nach acht aufgewacht. Ich schaue nach rechts. Mein Liebster schläft noch tief  und fest. Leise stehe ich auf und gehe die Treppe nach unten in die Küche. Es ist schon hell. Es hat geregnet und der Himmel ist grau. Ich setze Kaffee auf und hole die kostenlose Sonntagszeitung aus dem Briefkasten. Wie immer ist sie prall gefüllt mit Werbeblättchen. Ich gehe ins Bad und ziehe bequeme Stretchjeans und ein T-Shirt an. Dann wecke ich meinen Liebsten.

Während wir in der Küche gemeinsam unseren Kaffee trinken läuft im Hintergrund leise das Radio – WDR 2. Wir lassen uns Zeit. Und wir sprechen über unsere bevorstehende Urlaubsreise. Nur noch ein paar Tage, und wir fliegen nach Taschkent – Usbekistan. Was wird uns dort erwarten. Natürlich wird man uns nur die gute Seite des Landes zeigen. Die historischen Stätten in Buchara, Khiva und Samarkand. Wir fliegen zwar auch nach Nukus, aber dort sind wir noch weit weg vom Aralsee. Der heute nur noch ein Bruchteil seiner alten Größe hat. Das Land lebt hauptsächlich vom Baumwollgeschäft. Und das hinterlässt erhebliche Umweltschäden. Der Tourismus soll nun offensichtlich zur Alternative werden. Dann darf man aber die Schattenseiten nicht zeigen.

Heute ist Büchermarkt in unserem Städtchen. Ich möchte vormittags dort hin gehen, damit ich noch in Ruhe dort stöbern kann. Ich ziehe mich um, mache mich ein wenig stadtfein. Helle Hose, braune Bluse. Nun noch ein wenig Kleingeld und meinen kleinen Rucksack. In diesen passen ungefähr 4 bis 5 Bücher. Mehr sollen es nicht werden. Wir wohnen nur ein paar Minuten entfernt von der Innenstadt, so dass ich zu Fuß gehen kann. Ich schlendere von Stand zu Stand und überfliege die Auswahl. Das größte Angebot gibt es bei Krimis und Liebesromanen. Dafür interessiere ich mich aber weniger. Da entdecke ich ein Buch von Christa Wolf. Von ihr habe ich schon einmal etwas gelesen. Für 1 Euro wechselt es den Besitzer. Zufrieden gehe ich weiter. Schließlich blättere ich in einem Buch von Susan Sontag. Ich wusste gar nicht, das sie auch einen Roman geschrieben hat. Ich kenne nur einige Essays von ihr, zum Beispiel über  Fotografie. Das Buch,das ich nun in der Hand halte besticht durch seinen besonderen Schreibstil. Für 1 Euro kann man nichts verkehrt machen. Ich begebe mich auf den Rückweg. Hier und da treffe ichbekannte Gesichter. „Hallo“ und „Wie geht es?“ Dann geht jeder wieder seinen eigenen Weg.

Zuhause angekommen frühstückten wir ausgiebig. Wie schön, dass es heute kaum noch feste Regeln gibt wie ein Sonntag ablaufen muss. In den Tagen meiner Kindheit war das noch ganz anders. Meine Mutter stand vormittags mehrere Stunden in der Küche, um für unsere kleine Familie -Vater, Mutter, Bruder und ich- ein Sonntagsessen zu zaubern. Natürlich mit Suppe, Braten und Nachtisch. Danach dann großer Abwasch, während mein Vater einen Mittagsschlaf machte. Und zwei Stunden später kamen dann entweder die Großeltern zu uns oder wir fuhren zu den Großeltern. Natürlich gab es dann Kaffee und Kuchen. Je nachdem, wie lange der Besuch andauerte gab es schließlich noch Schnittchen mit Wurst und Käse, garniert mit Gürkchen und Perlzwiebeln. Mein Opa rauchte zur Feier des Tages eine gute Zigarre.Das war damals noch erlaubt, er musste nicht vor die Türe gehen. Die meisten Leute, dich ich kannte rauchten. Das gehörte einfach dazu. Keiner machte sich Gedanken über Lungenkrebs und keiner vermutete, dass Passivrauchen schädlich sein könnte. Auch Kalorien wurden nicht gezählt. Das wäre angesichts der Fülle an Essen auch recht mühsam gewesen.  Man genoss einfach das Leben. Diesen Luxus hatte man ohnehin nur am Sonntag. So hatte das Ganze nur wenig negative Auswirkungen auf die Gesundheit. Aber auch hierüber machte man sich wenig Sorgen. Diesen Gesundheits- und Fitnesswahn, wie wir ihn heute kennen, den gab es noch nicht. Warum auch! Besser ein gutes und kurzes Leben, als ein langes Leben mit tausend Einschränkungen.

Nun, bei uns gibt es heute keine warme Mahlzeit mehr.. Ich sitze gemütlich auf der Terrasse und schreibe diese Zeilen. Dazu gibt es einen Tee und ein paar Kekse. Das muss zunächst reichen. Und ich genieße den freien Nachmittag ohne Verpflichtungen. 

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