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Das Licht

Licht ist das Gegenteil von Dunkelheit. Erst im Licht erkennt man die Dinge, die einen umgeben. Aber „Licht“ ist auch eine Metapher für das Erkennen der inneren Wahrheit und Weisheit. In der Religion wird es verbunden mit der göttlichen Erleuchtung. Wir alle sind auf der Suche nach diesem Licht, ob religiös oder nicht. Und als man in den 60er Jahren im Rahmen von LSD-Sitzungen unter Einfluss der Droge plötzlich Dinge sah, hörte und schmeckte, die man nie zuvor so erlebt hatte, da schien die Dunkelheit sich allmählich aufzulösen. Der Drang nach mehr Erkenntnis wurde übermächtig und zerstörte am Ende manches Leben.

Ein Leben mit LSD

Der Erzählung vorangestellt ist der Selbstversuch eines Chemikers in der Schweiz, bei dem erstmals die bewusstseinserweiternde Wirkung von LSD entdeckt wurde.
Die eigentliche Geschichte spielt in Amerika, in den 60er Jahren. An der Havard-Universität experimentiert der Psychologe Timothy Leary mit psychedelischen Drogen, um die Grenzen des menschlichen Bewusstseins zu erforschen. Wer bei ihm studiert oder promovieren möchte, der muss an den samstäglichen Treffen teilnehmen und eigene Erfahrungen mit LSD und anderen Drogen sammeln. Auch gemeinsame Sommerferien in einem Haus am Strand von Mexiko sind Pflichtprogramm, an dem auch Fitz, der wissenschaftliche Assistent von Timothy, und seine Ehefrau Joanie teilnehmen müssen.
Am Anfang macht das Ehepaar bei diesen LSD-Sitzungen eher unfreiwillig mit. Mit steigender Erfahrung wird aber auch bei ihnen das Interesse an dieser Droge und der unkonventionellen Lebensform geweckt. Schließlich geben sie ihr altes Leben auf und ziehen gemeinsam mit ihrem noch minderjährigen Sohn zu Timothy Leary und seinen Freunden in eine Villa in Millbrook (New York). Man will ein Leben abseits des Spießertums und frei von allen Regeln. Alles dreht sich um Selbsterfahrung und Verwirklichung eigener Träume.
Der wissenschaftliche Charakter des Experimentes gerät immer mehr in den Hintergrund und schon bald distanziert sich die Havard-Universität von seinen Mitarbeitern. Auch im inneren Kreis der Kommune zeigt sich die Kehrseite des exzessiven Drogenkonsums und der sexuellen Freizügigkeit. Ist dieses Leben wirklich das Paradies und ist LSD das Sakrament, das zum Licht führt? Und wie kann man nach diesen Erfahrungen in die alte Welt zurückkehren? Geht das überhaupt noch?

Psychedelische Kunst

Das Thema LSD und Bewusstseinserweiterung in Zusammenhang mit Kunst hat mich seit meiner frühesten Jugend an beschäftigt und fasziniert. Ich selber bin glücklicherweise nie mit Drogen in Berührung gekommen. Aber ich war und bin beeindruckt von den Farben und Formen, die sich in den Werken vieler Maler, die LSD zu sich genommen haben, zeigen. In meinem Bücherschrank befindet sich noch ein stark vergilbtes Taschenbuch „Psychedelische Kunst“ aus dem Jahre 1971. Deshalb war mein Interesse an diesem Buch von T.C.Boyle zu den ersten Experimenten mit LSD sehr groß. Und ich muss gestehen, das Buchcover mit seiner Sogwirkung hat sein Übriges dazu getan.

Das Höhlengleichnis von Platon

Mich hat die Geschichte ein wenig an das Höhlengleichnis von Platon erinnert. Mit LSD-Erfahrungen überschreitet man die Grenzen der üblichen Realität. Formen, Farben, Gerüche verändern sich – alle Sinneseindrücke werden verschärft. Grenzen der Wahrnehmung verschieben sich, alte Denkmuster werden aufgelöst. Die Unerfahrenen blicken ratlos auf diese Außenseiter und halten sie für verrückt. Die Außenseiter aber werden ihre Erfahrungen nicht mehr vergessen können und bleiben, wenn sie in ihre alte Welt zurückkehren wollen, im abseits – allein und verloren. Denn der Weg ins Licht scheint einfacher zu sein, als der Weg zurück ins Dunkel.
Nun, vielleicht ist es nicht ganz so krass, wie ich das jetzt beschrieben habe. Vielleicht kann man einen Teil der Erfahrungen positiv in die Welt ohne Drogen übertragen. Ich persönlich weiß es nicht. Obwohl die Faszination für die Grenzüberschreitung da ist, hält mich die Angst vor dem Weg zurück davon ab.

LSD ist GIFT!

Seit 1966 ist LSD in den USA verboten. Die Geschichte im Buch endet damit, dass Timothy Leary das Tablettenfläschchen mit dem LSD hervorholt und auf dem Etikett die Warnung GIFT erkennt. Er hält diese Warnung für idiotisch, denn in seinen Augen sei doch LSD gerade die Substanz, die „gegen das Gift der Welt war, das Gift des Bewusstseins, des Nichtgöttlichen, des Nichtwissens, das Gift des absolut jämmerlichen Begriffs der Menschheit von den Zusammenhängen der Natur, das Gift der toten schwarzen Weiten des Alls, die alles wie ein unersättlicher Rachen verschlangen.“ Aber auch ihm ist bewusst, dass LSD nur ein Trip ist und kein Weg der Erleuchtung.

Ein spannendes, abwechslungsreiches Buch

Die Geschichte spielt rund um Timothy Leary, der tatsächlich als Psychologe an der Havard-Universität lehrte und dort mit psychedelischen Drogen experimentierte. In den 60er und 70er Jahren war er eine Art „Guru“ der Hippie-Bewegung. Hauptprotagonist in dieser Erzählung ist allerdings der fiktive wissenschaftliche Mitarbeiter Fitz Loney. Es ist somit eine Mischung aus Realität und Fiktion, was bei einem Roman auch üblich ist.
Das Buch ist spannend geschrieben und gibt einen guten Einblick in die unterschiedlichen Erfahrungen mit LSD. Das wird noch dadurch unterstrichen, dass die Ereignisse im ersten und dritten Kapitel aus Sicht des Mannes – hier Fitz Loney – , im zweiten Kapitel hingegen aus Sicht der Ehefrau Joanie geschildert werden. Es wird die bunte Welt der Drogen gezeigt, aber am Ende auch die Gefahren und die große Ernüchterung, die bleibt. Obwohl es sexuelle Ausschweifungen gibt, ist das nicht das Hauptthema des Buches. Vielmehr werden die Konflikte in den einzelnen Beziehungen, die aufgrund des Drogenkonsums eher sichtbar werden, thematisiert. Und am Ende wird man erkennen: LSD ist eben nicht der ersehnte Weg ins Licht.
Das Buch hat all meine Erwartungen erfüllt und ich werde sicher noch andere Romane des Autors lesen.

T.C. Boyle – Das Licht
dtv Literatur, August 2020
Taschenbuch, 384 Seiten, EUR 12,90 [DE]
ISBN 978-3-423-14768-2

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