Faliraki
Wer auf Rhodos Tourismus erleben will, der muss auf jeden Fall nach Faliraki. So steht es im Reiseführer und so hatte ich es auch zuhause im Internet recherchiert. Nach dem Frühstück nehmen wir also den öffentlichen Bus und fahren die wenigen Kilometer bis zu dieser nur für Touristen erbauten Ferienstadt. Der Bus ist fast voll, und das in der Nachsaison. Viele Urlauber haben ihre Badesachen dabei – wir nicht! Denn in Faliraki gibt es den begehrten Sandstrand. Viele Kilometer bedeckt mit feinstem hellbraunen Sand- wenn man diesen Sand dann überhaupt noch erkennt unter den aufgereihten Badetüchern den sonnenhungrigen Pauschaltouristen. Nein – keine Sorge – das war nur eine schlechte Vision von mir. Es ist ja Oktober, und da hat jeder Strandbesucher mindestens eine Fläche von 5 Quadratmeter – garantiert!
Der Bus hält im Zentrum und zwar direkt vor dem Hauptstrand. Wer ins Meer will, der hat es nicht weit. Wir steigen aus und setzen uns etwas abseits auf eine Treppenstufe. Ich beobachte ein wenig das Geschehen rings um mich herum. Es ist noch früher Vormittag, aber der Strand ist schon gut besucht. Nur wenige scheinen alleine zu sein. Die meisten sind mit Partner. Nun ja, man braucht schließlich jemanden, der einem den Rücken gut mit Sonnenmilch einreibt. Die meisten liegen um diese Zeit faul auf ihrem Strandlaken. Manche dösen so vor sich hin. Andere lesen ein Buch oder lösen Kreuzworträtsel. Kinder gibt es nur wenige um diese Zeit. Das liegt sicher daran, dass in den meisten Ländern die Ferien vorbei sind.
Wir beschließen, uns zunächst ein wenig in der Stadt umzusehen. Auch hier gibt es entlang der Hauptstraßen wieder unendliche viele Souvenirshops mit Sonnenbrillen, Schirmmützen, Badelatschen und T-Shirts. Alles was der Urlauber offensichtlich so braucht. Wieder frage ich mich, wieso ich das alles nicht brauche. Bin ich soviel anders. Mir reichen eine Sonnenbrille und eine Mütze, und die habe ich mir von zuhause mitgebracht. Die T-Shirts sind ohnehin alle mit albernem Aufdruck. Ich werde hier kein Geld los. Nicht das jetzt jemand denkt, ich sei geizig. Aber hier gibt es einfach nichts, was mir gefällt. Entlang der Straße befinden sich einige Bars und Striplokale, die aber um diese Uhrzeit noch geschlossen sind. Manche befinden sich offensichtlich auch schon im Winterschlaf. Wer seinen Körper mit Tattoos und Piercing verschönern will, hat viele Möglichkeiten dies hier auzuprobieren. Am Ende der Straße sehen wir ein Riesenrad. Dort angekommen gehen wir durch den Hintereingang eines großen Hotels und gelangen dort in den Garten und zum Swimmingpool. Von dort gehen wir auf direktem Wege wieder zum Sandstrand und zum Meer.
Im Hotel gibt es auffällig viele ältere Menschen. Und auch hier muss ich wieder darüber nachdenken, ob das natürliche Schamgefühl mit zunehmendem Alter abnimmt. Bereits in unserem Nachbarhotel in Kallithea hatten mich beim Mittagsimbiss diese Gedanken geplagt. Natürlich gibt es nicht nur schöne und schlanke Menschen. Auch ich habe inzwischen ein paar Kilos zuviel auf der Waage. Und selbstverständlich hat jeder das Recht, sich in Badeanzug, Bikini oder Badehose in der Öffentlichkeit zu zeigen. Aber warum tragen immer diejenigen die knappsten Bikinis oder Badehosen, die die größten Speckrollen aufzuweisen haben. Und wieso ziehen die sich nichts über, wenn sie am Strand oder Pool zum Restaurant oder Kiosk gehen. Da wären die vielen T-Shirts, die es in der Stadt zu kaufen gibt, doch wirklich sinnvoll eingesetzt. Ist es diesen Menschen wirklich egal, wie sie aussehen? Und wieso ist das so? Verliert sich – vor allem im Alter – das Schamgefühl, weil man nicht mehr auf Partnersuche ist? Oder weil der Partner neben einem fast blind ist und ohnehin keine Vergleiche mehr anstellt? Wie wird die Einstellung zur Umwelt, wenn das eigene Leben immer kürzer wird. Werden Äußerlichkeiten dann einfach unwichtig. Genießt man einfach nur die wärmende Sonne und den weichen Sand. Wird es dann irgendwann egal, was andere von einem denken könnten.
Ist es etwa nur Eitelkeit, wenn man wie ich versucht jedes überflüssige Pfund nach Möglichkeit schamhaft zu verbergen. Ich könnte ja woanders hinschauen, wenn mich das Geschwabbel der anderen so sehr stört! Aber habe nicht auch ich einen Anspruch auf eine ästhetische Umgebung? Muss man mir das antun, mich in aller Öffentlichkeit mit soviel unansehnlicher Fettleibigkeit zu belästigen. Also ich bin der Meinung, es gibt Grenzen der Zumutbarkeit. Und ich hoffe, dass ich persönlich diese Grenzen bis an mein Lebensende erkenne. Diese Eitelkeit muss sein.
Ich gehe also schnellen Schrittes weiter bis zum Meer und wir schlendern schließlich bis zum Ende der Bucht, wo an einem kleinen Yachthaften eine Kapelle steht. Inzwischen hat die Sonne ihren höchsten Stand erreicht. Ich setze mich in den Schatten der kleinen Kirche und genieße den Blick auf das weite Meer.
Auf dem Rückweg suchen wir uns ein einfaches Strandrestaurant und essen ein Sandwich. Dabei fällt mein Blick auf einen ziemlich großen, kräftigen Mann, der auf einmal torkelt und im Sand hinfällt. Er rappelt sich wieder auf, geht ein paar Schritte und fällt erneut hin. Nun erkenne ich, dass er angetrunken ist. Er läuft ins Wasser und lässt sich fallen. Damit erregt er die Aufmerksamkeit des Restaurantbesitzers. Dieser spricht einen Mann der Rettungswache an, die sich in unmittelbarer Nähe aufhalten. Doch da kommt der Betrunkene schon wieder aus dem Wasser und legt sich zu ein paar anderen Touristen auf das Strandlaken. Es sind Engländer und sie haben kleine Kinder dabei. Auch ein andere Mann aus dieser Gruppe ist offensichtlich betrunken. Sie spielen und ärgern die Kinder, und sie gehen auch immer wieder ins Wasser, was nicht gerade ungefährlich aussieht. Die Männer der Rettungswache lassen die Gruppe nicht mehr aus den Augen. Aber was sollen sie schon tun. Sie können sie ja nicht des Strandes verweisen. Im Reiseführer hatte ich gelesen, dass vor einigen Jahren in nur einem Sommer bei drei unterschiedlichen Vorfällen Engländer ums Leben gekommen waren, weil sie zuviel getrunken bzw. andere Drogen genommen hatten. Und das am helllichten Tag. Seit dem sind die Einheimischen vorsichtig geworden. Zum Glück zog die Gruppe dann irgendwann weiter, an einen anderen Strandabschnitt oder vielleicht auch ins Hotel, um den Rausch auszuschlafen.
Mir reichen die Eindrücke für heute und wir nehmen schließlich den nächsten Bus zurück in unsere angenehmes Hotel in Kallithea.
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