Heute besuchten wir das deutsche Kulturzentrum in Fergana / Usbekistan. Wir hatten uns einen regen Austausch gewünscht, das scheiterte aber an der Sprache.
Unser Reiseveranstalter SKR ist immer bemüht, einen besonderen Kontakt zwischen den Reisenden und den Bewohner des jeweiligen Reiselandes herzustellen. So sahen wir diesen Besuch nicht als Pflichtprogramm an, sondern wir erhofften uns einen regen Austausch zwischen den Mitgliedern des deutschen Kulturzentrums und unserer Reisegruppe. Es war Sonntag vormittag, da sollten viele frei haben und dieses Angebot wahrnehmen. So dachten wir zumindest.
Wolgadeutsche
Man muss wissen, dass es in Usbekistan noch eine deutsche Minderheit von gut 10.000 Personen gibt. Sie sind insbesondere Nachkommen der Wolgadeutschen. Hierbei handelte es sich um Deutsche, die sich in der Regierungszeit der deutschstämmigen Katharina II. in Russland an der Wolga niederließen. Im Zweiten Weltkrieg sind sie in Arbeitslager nach Sibirien und Zentralasien deportiert worden, so auch nach Taschkent.
Einen konkreten Minderheitenschutz gibt es in Usbekistan nicht. In der Verfassung ist jedoch verankert, dass alle Bürger unabhängig von ihrer Nationalität und Volksanghörigkeit die gleichen bürgerlichen Rechte und den Schutz der Gesetze genießen. Auch gibt es ein republikanisches internationales Kulturzentrum, das die nationalen Kulturzentren unterstützt.
„Wiedergeburt“
Das anvisierte Kulturzentrum befindet sich in einem typischen Wohnviertel mitten in Fergana. Als wir ankamen war die Türe noch verschlossen.
Nach wenigen Minuten kamen drei junge Mädchen, die uns freundlich begrüßten. Sie waren modern angezogen. Farbenfrohe T-Shirts, GUCCI-Tasche und natürlich durfte auch ein Smartphone nicht fehlen. Deutschkenntnisse hatten sie aber keine. So beschränkte sich die Konversation darauf, dass wir uns gegenseitig anlächelten.
Etwa 10 Minuten später erreichte dann die Leiterin das Zentrum. Auch sie war durchaus modern angezogen. Die Haare im Nacken zu einem offenen Zopf zurückgebunden. Allerdings sprach auch sie kein deutsch. Zum Glück hatten wir unsere Reiseleiterin dabei, die dann die Begrüßungsworte übersetzte.
Räumlichkeiten
Die Leiterin schloss die Türe auf und wir betraten eine Wohnung mit mehreren Räumen. Die Ausstattung der Räume erinnerte mich sehr an alte DDR-Zeiten oder an das Nachkriegsdeutschland. Einfacher Linoleumboden, der an vielen Ecken verschlissen war. Die Wände notdürftig mit Farbe angestrichen, der Putz blätterte stellenweise ab. Die Rahmen der einfachen Holzfenster waren brüchig.
Wir durchquerten einen größeren Raum. Hier befand sich ein alter Wohnzimmerschrank mit Glasvitrine. Tisch und Stühle waren alle zusammengerückt, damit ein großer Freiraum zum Tanzen verblieb. Urkunden schmückten die ansonsten ziemlich tristen Wände.
Wir gingen zum nächsten Raum. Er wurde beherrscht von dunklen Regalen, die unter der Last von dicken Büchern zusammen zu brechen drohten. Der vordere Bereich war wie eine Schulklasse eingerichtet. Hier wurde offensichtlich unterrichtet, und auch gebastelt. Der hintere Teil des Raumes wurde als Büro genutzt. Dort standen ein ziemlich veralteter Computer und ein Faxgerät.
Insgesamt war alles sehr dunkel und trostlos. Jedoch versuchte man mit Spitzendeckchen, Topfblumen und anderer Deko dem entgegen zu wirken.
Altes Deutschlandbild
An der Wand hing eine große Landkarte, die Deutschland mit seinen Bundesländern zeigt. Sie schien aktuell zu sein. Von den Büchern konnte man das nicht behaupten. Dort ging es um Themen wie Volkstänze, Deutsche Trachten, Deutsche Küche und vieles mehr. Es waren überwiegend Bücher aus der Mitte oder sogar dem Anfang des vorigen Jahrhunderts. Ein großes Plakat zum Sommerjugendlager zeigte ein Paar in Dirndl und Lederhose. Welches Bild mochte man hier von Deutschland haben. Ich kam mir vor wie von einem anderen Stern. Die Vorfahren hatten Deutschland bereits im 18. Jahrhundert verlassen. Wieviel hat man von der weiteren Entwicklung in Deutschland mitbekommen? Und wollte man davon überhaupt etwas wissen?
Wir hatten gedacht es sollte hier und heute zu einem Austausch mit der heutigen Kultur in Deutschland kommen. Ich dachte, man hätte uns fragen wollen, wie wir leben und was wir so denken. Aber Fehlanzeige. Nicht nur, dass man kein Wort deutsch sprach, man zeigte auch kein Interesse an uns persönlich. Wie in einem Museum wurden wir durch die Räume geführt. Ein Besuch in Deutschland oder gar eine Rückkehr in das Land der deutschen Ahnen würden einen grausamen Kulturschock auslösen. Dieses Deutschland gibt es schon lange nicht mehr. Hier ist die Zeit stehen geblieben und alte Wertvorstellungen werden idealisiert und romantisiert.
Vielleicht fehlt mir hier das rechte Einfühlungsvermögen. Wie geht es jemandem, der deutsche Wurzeln hat und in Usbekistan lebt. Ich habe immer in Deutschland gewohnt. Macht es überhaupt Sinn diese deutschen Traditionen, die überhaupt nicht mehr das Deutschland von heute wiederspiegeln, zu pflegen. Was gibt das diesen Menschen. Verhindert es nicht vielmehr die Integration in der neuen Heimat. Oder sollte man das mehr als Hobby ansehen, als geschichtliches Interesse an der Vergangenheit. Dann ist es wirklich kaum mehr als ein Museum, in dem alte deutsche Kultur gezeigt werden soll.
Tanzdarbietung
Zum Abschluss wurden uns von den jungen Leuten ein paar Tänze vorgeführt, die aktuell für einen bevorstehenden Besuch des deutschen Botschafters einstudiert wurden.
Sie zeigten ihr tänzerisches Können mit sehr viel Freude und Begeisterung, die sich schließlich auch auf uns übertrug.
Mich persönlich hatte eine junge Frau besonders beeindruckt. Mit ihrem Tanzpartner schien sie ganz in ihrer Welt versunken.
Andere zeigten schauspielerisches Talent und viel Hang zu komischen Szenen.
Später habe ich im Internet gelesen, dass bei einem deutschsprachigen Theaterfestival die Theatergruppe aus Fergana als Sieger hervorging und der beste Schauspieler aus Fergana kam.
Weitere Informationen
Wen das Thema interessiert, der kann im Internet einige Informationen einholen, und zwar auf der Seite der Deutschen Botschaft Taschkent und auf der Seite der GIZ – Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit .