Quarzazate und Besuch einer Höhlenwohnung
Auf dem Weg nach Quarzazate haben wir Glück, Mohamed ermöglicht uns abseits der geteerten Straße den Besuch einer Höhlenwohnung. Und am Abend üben wir uns in der Kunst des Feilschens.
Nach einem ausgiebigen Frühstück – wie immer mit Kaffee, frisch gepresstem Orangensaft, Croissants, süße Pfannkuchen und Kuchen – fahren wir gegen 10:00 Uhr Richtung Quarzazate. Die Straße führt entlang eines zur Zeit trockenen Flusses, der aber begleitet wird von vielen Palmen und Sträuchern. Und immer wieder sieht man unterwegs Storchennester mit Jungtieren. Bei Boumalne-du-Dades machen wir eine kleine Pause. Wir sind hier auf 1500 m Höhe.
Besuch in einer Höhlenwohnung
Dann verlassen wir die Straße und fahren auf einer holprigen Piste weiter durch die Berge. Hier leben noch einige Nomadenfamilien in Höhlen. Wir besuchen eine Familie und werden von der 14-jährigen Tochter freundlich begrüßt. Wir trinken gemeinsam einen Tee. Heute ist Freitag, und der Vater ist unterwegs zur nächstgelegenen Moschee. Auch die Mutter ist etwas einkaufen. So ist sie im Moment alleine mit ihrem Bruder und einer Schar von Ziegen.
Es gibt eine extra Höhle zum Schlafen, und eine zum Wohnen, in der wie gerade gemeinsam Tee trinken. Wir haben die Schuhe ausgezogen und sitzen auf Teppichen. Hierin ist es angenehm kühl. Es ist ein einfaches Leben, das die Berber hier führen. Aber es ist auch ein freies Leben. Man muss sich entscheiden, was man will. Reichtum und Freiheit sind selten gemeinsam zu bekommen. Was einen glücklicher macht, muss jeder von uns selber entscheiden.
Aber haben wir in Europa bzw. in Deutschland überhaupt die Wahl? Könnten wir uns überhaupt noch dafür entscheiden, in aller Abgeschiedenheit ein freies, selbst bestimmtes Leben zu führen. Man wäre zum Außenseiter abgestempelt, oder würde als Verrückter belächelt. In unserer Welt zählen nur die materiellen Güter, und wer nicht mithalten kann, ist ausgegrenzt. Reich und gesund muss man sein, dann ist scheinbar alles in Ordnung. Werte wie Menschlichkeit, Verbundenheit mit der Natur oder Freiheit zählen nur wenig. Ich bin froh, dass es auf dieser Welt noch Menschen gibt, die sich dem Kapitalismus entziehen können. Das gibt Hoffnung, dass auch ein anderes Leben immer noch möglich ist, wenn man nur will.
Wir fahren weiter auf der Piste und erreichen wieder die normale Straße bei El-Kelaa-des-M’Gouna. In dieser Oase blühen im Frühjahr die Rosen, der Ort ist bekannt für die Produktion von Rosenöl, das Grundstoff für viele Parfums und Kosmetikstoffe ist. Hier hat gestern das alljährlich stattfindende Rosenfest begonnen. Die Straßen sind geschmückt und eine große Bühne lässt erahnen, dass es abends viel Musik geben wird.
Respektlose Touristen
Wir kehren in einem kleinen Restaurant ein. Und schon hat uns die europäische Kultur, oder soll ich sagen Unkultur wieder eingeholt. Obwohl wir im Landesinneren eines islamisch geprägten Landes sind, und nicht etwa am Strand in Agadir, treffen wir auf eine junge Dame mit durchsichtiger Bluse und knappen Shorts. Da darf man sich nicht wundern, wenn streng gläubige Muslime es verurteilen, wenn ihr Land sich dem Tourismus zuwendet. Warum respektieren wir es nicht, dass es hier andere Sitten und Moralvorstellungen gibt. Mit etwas mehr Verständnis und Fingerspitzengefühl gäbe es wahrscheinlich weniger Probleme auf dieser Welt. Ein anderer Tourist aus der Reisegruppe putzt sich mindestens eine Viertel Stunde lang in aller Öffentlichkeit die Zähne, und selbst beim Bezahlen der Rechnung nimmt er die Zahnbürste nicht aus dem Mund. Es ist wirklich zum Fremdschämen.
Quarzazate und die Kasbah Taourirt
Nach einem kleinen Imbiss fahren wir weiter und erreichen gegen 16:00 Uhr unsere Unterkunft in Quarzazate, das Hotel Kenzi Azghor. Am frühen Abend holt Mohammed uns wieder ab. Ich mache ein paar Fotos von der berühmten Kasbah Taourirt. Die Anlage ist auch heute noch bewohnt. In dieses Wohnviertel gelangt man über ein Tor im rückwärtigen, dem Fluss zugewandten Teil der Kasbah.
Wunderschöne Teppiche
Dann besuchen wir am Stadtrand einen kleinen Laden mit antiker Kunst aus dem gesamten Maghreb-Raum. Ein sehr gut deutsch sprechender Marokkaner führt uns durch das Geschäft und erklärt uns viele alte Gebrauchsgegenstände seiner Vorfahren. Es ist fast ein kleines Museum.
Danach zeigt er uns wunderschöne Teppiche, die die Frauen aus der Umgebung geknüpft und gewebt haben. Er erklärt uns die unterschiedlichen Techniken. Es gibt Teppiche, die zwei unterschiedliche Seiten haben, eine flauschige Seite zum Schlafen oder Sitzen und eine feste Seite für den Essbereich oder die Kinder. Er zeigt uns auch Teppiche mit Reliefen, die durch unterschiedliche Materialien und Knüpfmethoden entstehen. In meinem ganzen Leben habe ich noch nie solch schöne Teppiche gesehen. Sowohl die Farben, zumeist Indigo, Safran oder Henna, als auch die schlichten Berbermuster begeistern mich. Es ist sehr schwer der Versuchung zu widerstehen, den einen oder anderen Teppich zu kaufen. Aber ich bleibe hart, denn diese Teppiche brauchen auch eine besondere Umgebung, um zur Geltung zu kommen. Und die fehlt zuhause.
Dolche und Silberschmuck
Im nächsten Raum befinden sich wunderbare Dolche und ganz viel Schmuck. Auch hier gibt es ein paar herausragende Stücke, die ich mir näher ansehe. Da zeigt Burkhard mir einen Armreif, den ich schließlich nicht mehr aus der Hand legen kann. Er scheint für mich bestimmt zu sein. Er ist aus dunklem Horn und mit genagelten Silberplatten verziert. Das Silber ist nicht so glänzend, eher matt und schimmert je nach Lichteinfall leicht bronzefarben, wahrscheinlich durch den dunklen Untergrund. Ich frage nach dem Preis und lege das schöne Stück erschrocken zurück. 380 Euro soll der Armreif kosten. Insgeheim wollte ich vielleicht 100 Euro dafür ausgeben. Ich sehe keine Basis für ein weiteres Verhandeln, zu groß erscheint mir die Differenz zwischen dem genannten Preis und meinen Vorstellungen.
Die Kunst des Feilschens
Burkhard kommt hinzu und der Verkäufer lässt nicht locker, für ihn ist das Geschäft längst noch nicht verloren. Wir sollen einen zweiten Preis machen. Nach einigem Überlegen nennen wir unseren Maximalpreis, 150 Euro. Mehr möchte ich wirklich nicht ausgeben. Noch schlägt der Verkäufer nicht ein, er bittet um ein letztes Angebot von uns. Burkhard lächelt und legt noch 5 Euro drauf, in der festen Annahme dies reiche nicht aus. Da geschieht das Wunder. Der Händler geht kurz in einen Nebenraum, kommt zurück und erklärt sich mit dem von uns zuletzt genannten Angebot einverstanden. Der Armreif wechselt den Besitzer, und ich bin glücklich über den gelungenen Handel und das schöne Schmuckstück. Alleine hätte ich das nicht erreicht. Entweder hätte ich wirklich den Armreif zurückgelegt oder ich hätte mehr gezahlt. Burkhard ist hier hartnäckiger und hat ein gutes Gespür, wie er mit seinem Gegenüber verhandeln muss.
Schreibe einen Kommentar